ein ewiger und niemals endender Epilog oder Teil 2,5 meines Two Volcano Sprint Berichts
Während ich an einer Bar warte, eine dieser Endlosschleifen des Wartens auf ein Zimmer, auf etwas zu Essen, zu Trinken, einen Menschen der meine Sprache spricht oder überhaupt irgendeine Sprache, warten auf den Klo-Schlüssel, warten auf etwas, das man schon vergessen hat, sehe ich auf die Kasse vor meinen Augen. Sie ist alt, grau und auf ihrer blau leuchtenden Anzeige steht 13:19. Es sieht aus wie die Anzeige einer dieser Bomben in Filmen, in denen James Bond dann irgendeinen Draht durchschneidet und alles wird gut.
Während der Mann hinter der Bar, ohne jegliche Eile, seine Frau heran ruft und einen anderen Gast bewirtet, starre ich auf die Anzeige der Kasse. Die Minuten werden zu scharfkantigen Granatsplittern, die um mich herum alles durchlöchern, meine Dünnhäutigkeit ein letztes Fragment Menschsein, dass sich ihnen kaum entgegenzustellen wagt, jede einzelne Sekunde scheint zu schmerzen, mein Körper nur noch ein Relikt aus besseren Zeiten. Doch die Anzeige bleibt gleich: 13:19
Das kann doch nicht sein, dass mich mein Zeitgefühl so täuscht?
Der arme Mann, denke ich, ich sollte ihn nicht so stressen, scheinbar ist mein Zeitgefüge auseinander geraten, Minuten werden zur Ewigkeit und aus dem Hinterzimmer dringen Kinderlachen und Frauenstimmen.
Ich weiß, das wird dauern, kenne die Elemente zu genau, die eine Situation zäh oder zügig machen. Meistens weiß man bereits, wenn man einen Ort - sei es eine Bar, einen Supermarkt, ein Hotel - betritt, ob es schnell gehen wird oder ob man sich in Geduld üben muss. Jedes Mal wenn ich vom Rad steige, beginnt eine Uhr in meinem Kopf zu ticken. An manchen Tagen wird das Ticken zu einem blechernen Schlagen, an anderen zu einem effizienten leisen Tick Tick, wie eine Eieruhr oder eine Bombe. So wie James Bond dann versucht den richtigen Draht durchzuschneiden, damit alle erleichtert aufatmen können, damit es weitergeht, rot, grün oder doch der blaue?- so versuche ich, oftmals verzweifelt, die richtigen Dinge zu tun, eine geheimnisvolle Formel zu entwickeln, um so schnell wie möglich voranzukommen, so schnell wie möglich wieder aufs Rad zu steigen, oder ins Bett, unter die Dusche. Die Abläufe im Hotelzimmer immer gleich, ankommen, ausziehen, elektronische Geräte laden, feststellen, dass man kein WLAN Passwort hat oder es sowieso kein WLAN trotz Passwort gibt, etwas zu Essen in den Mund stopfen, während man den schmerzenden Körper in Richtung Dusche bewegt.
Dann der Moment, in dem das Schlagen, Ticken, plötzlich für ein paar wenige ewige Augenblicke verstummt, das Gefühl von Wärme sich vermischt mit Schlieren von Dreck, manchmal Blut, manchmal grau, manchmal schlammig braun, manchmal schwarz. Eine Taufe, wenn das warme Wasser über den Kopf läuft, über das brennende Gesicht mit geschlossenen Augen und man vergisst einen Moment den eigenen Namen, die Drähte, das Ticken, alles ruhig, alles neu, alles fließt.
13:19 denke ich, das kann doch nicht sein, mein Tagtraum von der erlösenden Dusche wird zu einem bleischweren Ziehen in meiner Magengegend, am liebsten würde ich den Mann anschreien, aber ich bin zu schwach und zu höflich, er kann ja auch nichts dafür, dass ich dieses Elend selbst gewählt habe. Er scheint meine Telefongeste, die eigentlich international gültig ist, nicht einordnen zu können, versteht nicht, und ich wundere mich, wieso er sich nicht an das Telefonat mit mir in gebrochenem Englisch, in dem es um ein Zimmer ging, erinnert.
Ich gehe genervt, aber mit gebührendem Respekt an zwei älteren Damen vorbei, zu meinem Fahrrad und blicke auf mein Handy.
13:35 steht da und ich fühle ein Ticken an meiner Schläfe, während sich ein erleichtertes Lächeln auf meinem müden Gesicht ausbreitet. Wusste ich's doch, sage ich leise, so lange bleibt die Zeit nicht stehen, manchmal, ganz kurz, wenn man nicht Acht gibt, unter einer Dusche, Krumen roher Erde zwischen den Zehen und alles fließt, aber all das hier war viel zu offensichtlich.
Ich schiebe mein Fahrrad aus der Bar hinaus, auf der Suche nach dem richtigen Draht, dem richtigen Hotel. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite winkt ein Mann aus einem Fenster und ruft etwas in gebrochenem Englisch, macht eine Geste für „Telefon“ . Und während ich mein Rad den Eingang zum Hotel hinaufschiebe, wird das Ticken leiser, der blaue Draht, denke ich. Es ist doch immer der blaue Draht. Und alles wird gut.
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